Die Diagnose
Seitdem meine Candida in die Schweiz gekommen ist, zeigte sie immer mal wieder eine leichte Taktunreinheit im Trab. Als ich sie im 2013 aus Spanien zu mir geholt habe, begann eine wundervoller Lebensabschnitt. Ich war auf allen Ebenen überglücklich und konnte es kaum fassen ein eigenes Pferd zu haben. Mit Freunden vom Stall haben wir unzählige, herrliche Ritte unternommen und das Zusammensein sorglos genossen. Es hätte wirklich nicht perfekter sein können.
Ich habe mir - aufgrund zu geringen Kenntnissen - keine Sorgen gemacht.
“Das ist doch einfach nur Candidas ganz persönlicher Gang. Sie will ja von sich aus vorwärts gehen. Alles okay.“
Eine liebe Freundin hat mich ermutigt, dennoch den Tierarzt draufschauen zu lassen. Nach der Beugeprobe machte er ein Röntgenbild und stellte ein Chip (Gelenksplitter) im rechten Hufgelenk fest. Ich hatte keine Ahnung, was dies genau bedeutet… Er nahm Rücksprache mit dem Tierspital Zürich und mir wurde (natürlich!) geraten, den Chip chirurgisch entfernen zu lassen.
Von der Operation und der Boxenruhe
Die Rechnung für die Operation habe ich über ein Jahr hinweg abbezahlt… doch das war nicht das eigentliche Problem. Candida verstand die Welt nicht mehr. Zuerst wurde sie von der grossen Koppel mit über 100 Freunden weggeholt und in ein fremdes Land gebracht. Kaum hatte sie sich ein bisschen eingelebt, neue Freundschaften geschlossen, gelernt wie man das saftige Gras geniessen kann und den Vorteil der Einzelbox (niemand stört beim Essen) schätzen gelernt hat, wird sie wieder in den Transporter gesteckt. Im Tierspital wird sie von fremden Menschen angefasst und begutachtet. Eine böse Spritze macht sie duselig. Was für Drogen sind das? Alles ist weit weg und verschwommen. Sie mag sich nicht mehr auf den Beinen halten und sackt in sich zusammen. Mit einem Kran wird sie auf den Schragen gelegt, der Gelenkchip im Hufgelenk wird entfernt und ein dicker, fetter Verband wird angebracht. Sie wacht in einem dunklen runden Raum auf. Wo bin ich jetzt bloss wieder? Candida musste eine ganze Woche in einer kleinen Box im Spital stehen. Als sie endlich wieder nach Hause durfte, musste sie 3 Monate in ihrer Box ausharren! Und das über die kalten Monate Oktober bis Dezember 2013. Ich ging selbstverständlich jeden Tag vorbei und probierte ihre "Haft" ein wenig zu versüssen. Wir haben einige kleine Tricks geübt. Sie kann nun die Müsli-Schale und einen Lappen auf Kommando aufheben. Doch ganz ehrlich: Es hat mir beinahe das Herz abgedrückt. Sie musste mit Strick und Halfter angebunden werden, wenn die anderen auf die Weide durften. Sie hat sich (verständlicherweise) tierisch aufgeregt und ging wortwörtlich die Wände hoch. Dabei hatte sie sich einige Schürfungen geholt und ihr wurde jegliche Freiheit geraubt. Shit… war es das wirklich wert? Ich weiss es nicht! Selbstverständlich wollte ich nur das Beste für meine Candida und liess sie auf Rat der Ärzte hin operieren.
Spuren der Boxenruhe – Problempferd
Nicht weit weg vom Stall explodierte sie. Sie bäumte sich auf, riss sich los und galoppierte über das Feld zu den anderen Pferden. Mann oh Mann, mein Herz fiel in die Hosen!
Nach laaaaangen 3 Monaten durfte ich Candida endlich wieder Schritt führen. Ich freute mich unglaublich auf den Tag, an dem Candidas Haft ein Ende finden sollte. Eine kleine Spazierrunde stand auf dem Plan. Ich holte Candida aus der Box, striegelte sie gründlich durch und machte mich mit freudigem Herzklopfen mit ihr auf den Weg. Mein Herzklopfen stieg rasant an, als Candida neben mir her tänzelte, den Kopf und Schweif hob und aufgeregt schnaubte. War das wirklich meine Candida? Oder doch eher ein wilder Hengst? Was ist nur in sie gefahren? Ich kann beim besten Willen keine aufbrauswürdige Gefahr entdecken!
“Candida, für dich doch nicht so auf. Heee….du darfst noch nicht galoppieren! Achtung, dein Bein“
Weg war sie. Mitsamt Strick und Halfter rannte sie die 200 Meter zurück zu ihrer Herde. Tränen kullerten über meine Backen. Es schmerzte mich so sehr, dass ich ihr ihre Freiheit geraubt habe und sie mir nun in aller Deutlichkeit zeigte, was es mit ihr gemacht hat. In diesem Moment war ich ihr kein Gegenüber mehr. Das tat richtig weh. Tagelang immer wieder dasselbe Spiel… bis mein Tierarzt ihr ein Beruhigungsmittel verschrieb. Grosszügig gab ich ihr die Chemie (die später weitere Folgen haben sollte), im Glauben das würde ihr wirklich helfen. Für mich steht fest: Ich würde die Operation heute nicht mehr machen. Ich sage nicht, dass die Schulmedizin generell schlecht ist und auch nicht, dass eine solche OP für jedes Pferd eine Qual bedeuten würde… doch für meine Candida war es wirklich die Hölle.
Welche Situationen habt ihr erlebt, in der ihr euch heute für was anderes entscheiden würdet, wenn ihr gewusst hättet, was dabei herauskommt?
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